„In einer Welt, die überflutet wird von belanglosen Informationen, ist Klarheit Macht.“ 

- Yuval Noah Harari

Demographischer Wandel

Der Demographische Wandel benennt Entwicklungen in der Zusammensetzung von GesellschaftenIm Zusammenhang mit der deutschen Bevölkerung bezieht sich der Begriff meist speziell auf eine Veränderung der Altersstrukturen.

1. Altersstrukturelle Prognosen

Wie wird sich Deutschland altersstrukturell verändern? In Zukunft wird der relative Anteil älterer Menschen, gegenüber dem jüngerer Menschen steigen. Das liegt daran, dass wir einerseits immer älter werden (höhere Lebenserwartung) und andererseits immer weniger Kinder bekommen  (rückläufige Geburtenrate)Weil die Älteren später sterben und weniger Junge nachkommen, wird Deutschland älter. Dieses Phänomen ist seit den 1970er Jahren zu beobachten.

Im Moment ist die größte Bevölkerungsgruppe

bereits zwischen 40 und 50 Jahre alt.

Für 2050 (siehe Statistik oben) erwartet man,

dass die größte Bevölkerungsgruppe etwas älter als 60 ist.

2. Das Rentenproblem

Werden wir eben älter, wo liegt das Problem? Eines von mehreren Problemen liegt darin begründet, dass die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland nach dem Umlageverfahren organisiert ist.

Wenn ein Deutscher arbeiten geht, bekommt er ein Gehalt und muss davon steuerliche Abzüge berappen. Ein Teil dieser Abzüge wandert in die Rentenkasse und damit finanzieren wir die Rente der momentan alten Leute. Soweit eine grandiose, soziale Grundidee: Das, was der Arbeitende Teil der Bevölkerung erwirtschaftet, fließt über die Sozialkassen in Teilströmen an diejenigen, die zu alt sind, um zu wirtschaften, an diejenigen, die zu jung sind, um zu wirtschaften und an diejenigen, die derzeit keine Arbeit haben. Man sagt auch, das Geld wird umgelegt, deshalb Umlageverfahren. Wenn Sie einmal 80 Jahre alt werden, haben Sie von diesem System 20 Jahre profitiert, 40 Jahre draufgezahlt und wieder 20 Jahre profitiert. Jetzt das "Rentenproblem":

Die sog. Überalterung bzw. Unterjüngung der dtsch. Gesellschaft sorgt dafür, dass immer weniger Beitragszahlende immer mehr Rentenempfänger vor der Rentenkasse gegenüberstehen. Noch vor ein paar Jahren kamen vier einzahlende Arbeitende auf einen Rentner. Mittlerweile ist das Verhältnis 3:1 und in 30 Jahren schon werden nur noch 2 Beschäftigte für einen Empfänger aufkommen.

Wer das Umlageverfahren verstanden hat, weiß, dass es nie nichts auswerfen wird, sofern die Politik es nicht aufgibt. Sofern es auch in Zukunft noch eine arbeitende Bevölkerungsgruppe gibt, was wir doch schwer hoffen, wird auch etwas umgelegt werden können. Die gesetzliche Rentenversicherung ist eben keine Anlage, die man einmal als Arbeiter einzahlt und nachher als Rentner verzinst wieder zurückbekommt (und die auch plötzlich komplett wertlos sein kann, wenn bspw. niemand mehr an der Immobilie, in die man investiert hat, interessiert ist). Es ist ein Generationenversprechen, dass ein Teil des erwirtschafteten Geldes augenblicklich den Rentnern zukommen wird. Das wird einmal mehr und einmal weniger, aber wie gesagt niemals nichts sein.

Dass es aber deutlich weniger zum Umlegen geben wird, wenn weniger in die Rentenkasse einzahlen und mehr Rente empfangen wollen, ist ein Problem. Kaum eine Änderung wird Deutschland in den kommenden Jahren so stark prägen und zu schaffen machen, wie der demographische Wandel.

Was können wir tun?

3. Lösungsansätze

Es ist ein gesellschaftliches DilemmaEinerseits wollen wir die Arbeiter nicht ausschröpfen bzw. zu viel an internationaler Wettbewerbsfähigkeit einbüßen müssen, und andererseits die Rentner, die ja schließlich auch hart gearbeitet haben, nicht in Altersarmut zurücklassen. Eine zufriedenstellende Lösung dieses Dilemmas kann in einem demokratischen Staat immer nur ein Kompromiss sein. Beide Seiten, Wirtschaft und Arbeitnehmer auf der einen und Rentner auf der anderen Seite, werden Abstriche machen müssen.

3.1. Individuelle Absicherung

Was kann jeder einzelne tun? Auch unsere monetäre Altersabsicherung wird nicht ohne die drei alten Säulen auskommen:

 

-      Die staatliche Rentenversicherung. Sie wird uns noch eine Weile erhalten bleiben, so schnell und ruckartig kann die Politik daran gar nichts ändern.

-      Die betriebliche Altersvorsorge. Diese garantiert der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Alter.

-      Die private Altersvorsorge. Theoretisch sollte sich jeder von uns privat absichern, praktisch können sich das leider viele nicht leisten.

3.2. Kollektive Maßnahmen

Was können wir als Gesellschaft tun? Es gibt einige Stellschrauben, an denen wir drehen können, um das Problem der sinkenden Einzahler und steigenden Rentenempfänger zumindest teilweise zu lösen:

 

-      Wir können das Kinderbekommen attraktiv machen. Derzeit werden Kinder noch von vielen Deutschen als finanzielle oder zeitliche Last eingeschätzt. Wenn wir es schaffen, diesen Leuten dieses Gefühl zu nehmen, werden sie wohlmöglich (mehr) Kinder bekommen. Mögliche Anreize, die wir schaffen können, wären ein höheres Kindergeld oder aber auch der Ausbau von Kitas.

 

-      Wir können mehr Frauen in Arbeit bringen. Denn eine arbeitende Frau zahlt auch in die Rentenkassen ein.

 

-      Wir können mehr junge Immigranten nach Deutschland locken. Diese Immigranten können von unseren gutbezahlten Arbeitsplätzen profitieren und durch ihre Arbeitskraft unsere ältere Bevölkerung über die Rentenkassen mitversorgen. Außerdem kommen Einwanderer aus dem afrikanischen, arabischen oder asiatischen Raum meist auf sehr viel höhere Geburtenraten, als wir Deutschen, was zusätzlich zu einer Verjüngung der Gesellschaft beiträgt.

 

-      Wir können ältere Menschen auch außerhalb der Berufswelt mehr in Pflicht nehmen. Rentner können beispielsweise zum Babysitten vermittelt werden, ihr Zimmer mit Studenten teilen usw. Somit ist nicht nur der arbeitende Bevölkerungsanteil entlastet, sondern wird der ältere Teil der Bevölkerung auch mehr in die produktive Gesellschaft integriert und dem ein oder anderen Rentner, der sich nutzlos fühlt, dadurch auch ein existentieller Sinn im Leben gegeben.

 

-      Wir können länger arbeiten. Niemand wird sich über eine zwangsmäßig verlängerte Arbeitsbiographie freuen, aber es ist ein unumgänglicher und ausschlaggebender Punkt, wenn wir unser demographisches Problem auch nur ein wenig in Griff bekommen wollen. Außerdem ist die Erhöhung des Renteneintrittsalters zwar ärgerlich, für viele Berufe aber auch nicht mehr, da wir ja immer länger fit und gesund sein, und somit den Beruf auf länger ausüben können werden.

4. Industrienationales Phänomen

Haben nur wir hier in Deutschland das Problem, dass wir alt werden? Nein, bei uns ist es nur besonders krass. Dem allgemeinen Trend, älter zu werden, unterliegt jedoch jeder moderne IndustriestaatAn sich ist das auch super. Der Bauer im Mittelalter hatte eine Lebenserwartung von unter dreißig und wir dürfen aufgrund höherer medizinischer Standards, einer besseren medizinischen Versorgung, gesünderem Essens und weiteren Fortschritten durchschnittlich länger auf dieser Erde weilen.

In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern ist der Trend übrigens umgekehrt. Hier übersteigt der Anteil der jüngeren Menschen den Anteil der älteren Menschen oft deutlich. Warum sind die Leute in Indien beispielsweise gebärfreudiger, als wir? Ein Grund hierfür liegt eben in der fehlenden Altersversicherung bzw. darin, dass die Kinder dort die Altersversicherung sind. Weil die Inderin im Alter nämlich sonst in tödlicher Armut enden würde, bringt sie Kinder zur Welt und hofft, dass diese nach ihr schauen, wenn sie pflegebedürftig o.ä. ist.

Dass die Menschen älter werden, heißt übrigens nicht zwangsläufig, dass auch die Bevölkerung altert. In Europa ist das der Fall und die Phase der Überalterung ist bereits in vollem Gange, anders aber die demographischen Prognosen für die USA, die weiterhin jung bleiben wird. Bei amerikanischen Frauen liegt die Fruchtbarkeitsrate stabil bei 2,1 Kindern, was den amerikanischen „Humanbestand“ gleich bleiben lässt, also weder dezimiert noch aufbläht. Zusätzlich wandern jährlich rund 1 Millionen Menschen in die USA ein, die Mehrzahl davon ist jung und leistungswillig.

Deshalb wird die amerikanische Bevölkerung auf 400 Millionen anwachsen und die Engpässe, auf die der europäische Arbeitsmarkt und die europäischen Sozialsysteme zulaufen, selbst nie sehen. Sozialsysteme gibt es in den USA ja sowieso nur rudimentär, gleiches gilt auch für staatliche Kinderzuschüsse. Und trotzdem sind die Amis irgendwie fruchtbarer als wir, es kann also nicht nur der finanzielle Anreiz sein, was uns Kinder machen lässt.

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Kommentare: 3
  • #1

    WissensWert (Donnerstag, 29 November 2018 02:54)

    China, Deutschland und Japan. Das sind der amtierende, der Ex- und der Vizeexportweltmeister. Diese drei Nationen belegen aber auch noch einen anderen Rekord: Sie gehören zu den letzten in der Fruchtbarkeitsrate. Japan hat 1,41 Geburten pro Frau, Deutschland 1,38 und China 1,66 (wobei es nach der Ein-Kind-Politik, trotz der Ausnahmen, weniger sein müssten). Ich glaube nicht, dass diese Korrelation ein Zufall ist. Kinder sind eine kurzfristige Wirtschaftsbremse, langfristig aber das Öl, ohne das keine Wirtschaft läuft.

  • #2

    WissensWert (Donnerstag, 29 November 2018 02:55)

    Was bedeutet es für das Wahlverhalten der Deutschen, wenn die Bevölkerung immer älter wird? Kann es sein, dass wenn das Durchschnittalter einmal bei 65 liegt, die Senioren nur noch Parteien in den Bundestag wählen, die die Interessen der Alten vertreten und die der Jungen komplett vernachlässigen? Ist der Crash von morgen, vielleicht gar kein Finanzcrash und auch kein Crash of Cultures, sondern ein Crash of Generations? Der Altersforscher Dr. Huxold hat in einer Studie gezeigt, was auch meiner Intuition entspricht: Solange es den alten Menschen einigermaßen gut geht, machen sie sich auch viele uneigennützige Gedanken über die Jugend. Viele von ihnen haben ja selbst Kinder und Enkel und sind um deren Wohl besorgt. Erst wenn ihre Situation prekär wird, also sie beispielsweise in immer schlimmere Altersarmut abdriften, denken die Senioren – so wie übrigens alle Menschen – eher an sich. Wenn wir Jungen also zu wenig für die Alten machen, bestimmen sie das demokratische Geschehen wieder mehr in ihrem Sinne und wenn es ihnen gut geht, meinen sie es auch gut mit uns. Eine schöne Conclusio, wie ich finde.

  • #3

    WissensWert (Donnerstag, 29 November 2018 02:56)

    Auch wenn die Deutschen immer länger leben, verliert die Bundesrepublik Deutschland trotzdem insgesamt an Bevölkerung. Das liegt, ganz allgemein, daran, dass zuerst einmal wenige Menschen geboren werden (niedrige Geburtenrate / Fertilität) und mehr Leute sterben (hohe Totenrate / Mortalität). Das ist auch in vielen anderen, modernen Gesellschaften so.


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